Was ist das längste deutsche Wort?
Vor einigen Jahren lautete das offiziell längste Wort im Deutschen: Rindfleischettiketierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.
Die deutsche Sprache ist allgemein dafür bekannt, manchmal ungemein kompliziert zu sein. Ewig lange zusammengesetzte Nomen und verschachtelte Sätze sind keine Seltenheit. Deswegen genießt das Deutsche den Ruf, sich ideal für akademische Texte oder die Beschreibung technischer Zusammenhänge zu eignen. Gleichzeitig kann die, gerade bei Nichtmuttersprachlern, für Verwirrung sorgen.
Nomenketten sind in der deutschen Sprache üblich. Die Linguistik bezeichnet Ausdrücke dieser Art als Mehrfachkomposita. Vor einigen Jahren lautete das offiziell längste Wort im Deutschen: Rindfleischettiketierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. Ja, da braucht man erst einmal einen Moment. Dieser Ausdruck war irgendwann selbst dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, der ihn 1999 erschaffen hatte, zu viel, sodass das Wort 2013 wieder aus dem Landesrecht weichen musste. Es gibt allerdings eine endlose Liste weiterer Wörter im Deutschen, die nach dem gleichen Schema aufgebaut sind. Noch ein Klassiker, der sich einst als längstes Wort der deutschen Sprache rühmen durfte: Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwe.
Wortlängen in anderen Sprachen
Das Deutsche ist mit seiner Vorliebe für die Aneinanderreihung von Nomen im internationalen Vergleich eher ein Einzelfall. Zwar gibt es auch in anderen Sprachen längere Wörter, aber nicht so häufig. Besonders romanische und slawische Sprachen versuchen, Inhalte eher kurz und prägnant zu halten, während das Deutsche gerne ausführlicher und komplexer formuliert. Dies hat zum Teil auch kulturelle Hintergründe. Darauf genauer einzugehen, würde jedoch den Anspruch und Rahmen dieses Textes übersteigen. Deutlich werden diese Diskrepanzen allerdings schon bei einem Blick auf einige der längsten Wörter aus verschiedenen Sprachen:
Englisch: Hippopotomonstrosesquipedalianism → Dieser Zungenbrecher beschreibt die Vorliebe für lange Wörter.
Finnisch: Lentokonesuihkuturbiinimoottoriapumekaanikkoaliupseerioppilas → Gemessen an der Länge konkurriert dieses Wort auf jeden Fall mit der deutschen Sprache. Es bezieht sich auf einen Vizeleutnant in Ausbildung in der Branche der Flugmotorentechnik.
Französisch: Anticonstitutionnellement
Spanisch: Anticonstitucionalmente
Portugiesisch: Anticonstitucionalissimamente
Diese drei Ausdrücke bedeuten jeweils schlicht und einfach, dass etwas verfassungswidrig ist. Zudem bestätigen sie die These, dass romanische Sprachen Wörter eher kurz und bündig halten.
Polnisch: Konstantynopolitańczykowianeczka → Sieht aus, als wäre eine Katze einmal quer über die Tastatur gelaufen. Als Istanbul noch Konstantinopel hieß, trug eine Frau, die dort lebte, im Polnischen diese Bezeichnung.
Entwicklung von Sprachen
Wenngleich unterschiedliche Sprachen und Sprachfamilie jeweils eigene Merkmale aufweisen, ist bei allen in den vergangenen Jahrzehnten ein Trend erkennbar: Die Vereinfachung und Verkürzung von Wörtern und Sätzen. Wer beispielsweise ein Gespräch heutiger Jugendlicher belauscht, wird schnell merken, dass deren Sprache mit jener der älteren Generationen nur noch wenig zu tun hat. Allen voran im Englischen finden sogenannte Slang-Sprachen immer mehr Einzug in die alltägliche Sprache. Die Evolution dieses Satzes im Laufe der Zeit legt dies schnell offen: What are you doing? → What you doing? → Whatcha doin’? Anglizismen nehmen auch in der deutschen Sprache eine zunehmend größere Rolle ein. Alljährlich befinden sich unter den Kandidaten zum Jugendwort des Jahres mehrere englischsprachige oder zumindest vom Englischen inspirierte Wörter. Der Zuzug von Migranten aus anderen Regionen der Welt in den letzten Jahrzehnten sorgt nun dafür, dass auch andere Sprachen immer stärker in den Alltagswortschatz von Jugendlichen gemischt werden.
Einer der Gründe für den Trend, dass Wörter und Sätze in allen Sprachen zunehmend vereinfacht werden, ist die degressive Entwicklung der menschlichen Aufmerksamkeitsspanne. Durch den nahezu ungebremsten Fortschritt von Technologie sind wir es gewohnt, Informationen in Sekundenschnelle abrufen zu können. Mit der Zeit machte dieser Umstand den Menschen fauler und unaufmerksamer, weshalb wir heute den Fokus eher auf visuelle Inhalte anstelle von Texten legen. Ein Bild zu betrachten ist einfacher, als die schriftliche Beschreibung einer Umgebung durchzulesen und ein Video anzusehen fällt leichter, als ein Buch in die Hand zu nehmen. Aus diesem Grund werden beispielsweise Emojis zu einem immer wichtigeren Teil der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation. Um Informationen so prägnant wie möglich darzustellen, schreiben wir nicht mehr, dass wir etwas schön finden, es reicht auch, das Emoji mit den Herzaugen zu versenden. Wissenschaftler aus unterschiedlichen Bereichen sehen in all dem eine gefährliche Entwicklung, da nicht nur die Sprache als Kommunikationsmittel enteignet wird, sondern das menschliche Gehirn immer weniger zu arbeiten bereit ist.
Ich bin zweisprachig Deutsch und Englisch. Ich habe umfangreiche Erfahrung im Schreiben. Und ich freue mich, meine Gedanken hier zu teilen.